Robert Musil [1] 1880-1942
In der Villa Borghese in Rom steht ein hoher Baum ohne Zweige und Rinde. Er ist so kahl wie ein Schädel, den die Sonne und das Wasser blank geschält haben, und gelb wie ein Skelett. Er steht ohne Wurzeln aufrecht und ist tot, und wie ein Mast in den Zement einer ovalen Insel gepflanzt, die so groß ist wie ein kleiner Flussdampfer und durch einen glattbetonierten Graben vom Königreich Italien getrennt wird. Dieser Graben ist gerade so breit und an der Außenwand so tief, dass ein Affe ihn weder durchklettern noch überspringen kann. Von außen herein ginge es wohl; aber zurück geht es nicht. Der Stamm in der Mitte bietet sehr gute Griffe dar und lässt sich, wie Touristen so etwas ausdrücken, flott und genussfroh durchklettern. Oben aber laufen waagrechte, lange, starke Äste von ihm aus; und wenn man Schuhe und Strümpfe auszöge und mit einwärts gestellter Ferse die Sohlen fest an die Rundung des Astes schmiegte und mit voreinander greifenden Händen auch recht zugriffe, müsste man gut an das Ende eines dieser von der Sonne gewärmten langen Äste gelangen können, die sich über den grünen Straußfedern der Pinienwipfel hinausstrecken. Diese wundervolle Insel wird von drei Familien von verschiedener Mitgliederzahl bewohnt. Den Baum bevölkern etwa fünfzehn sehnige, bewegliche Burschen und Mädchen, die ungefähr die Größe eines vierjährigen Kindes haben; am Fuße des Baumes aber lebt in dem einzigen Gebäude der Insel, einem Palast von Form und Größe einer Hundehütte, ein Ehepaar weit mächtigerer Affen mit einem ganz kleinen Sohne. Das ist das Königspaar der Insel und der Kronprinz. Nie kommt es vor, dass sich die Alten in der Ebene weit von ihm entfernen; wächterhaft regungslos sitzen sie rechts und links von ihm und blicken geradeaus an ihren Schnauzen vorbei ins Weite. Nur einmal in der Stunde erhebt sich der König und besteigt den Baum zu einem inspizierenden Rundgang. Langsam schreitet er dann die Äste entlang, und es scheint nicht, dass er bemerken will, wie ehrfürchtig und misstrauisch alles zurückweicht und sich um Hast und Aufsehen zu vermeiden seitlings vor ihm herschiebt, bis das Ende des Astes kein Entweichen mehr zulässt und nur ein lebensgefährlicher Absprung auf den harten Zement übrig bleibt. So schreitet der König, einen nach dem anderen, die Äste ab, und die gespannteste Aufmerksamkeit kann nicht unterscheiden, ob sein Gesicht dabei die Erfüllung einer Herrscherpflicht oder einer Terrainkur ausdrückt, bis alle Äste entleert sind und er wieder zurückkehrt. Auf dem Dache des Hauses sitzt inzwischen der Kronprinz allein, denn auch die Mutter entfernt sich merkwürdigerweise jedes mal zur gleichen Zeit, und durch seine dünnen, weit abstehenden Ohren scheint korallenrot die Sonne. Selten kann man etwas so Dummes und Klägliches dennoch von einer unsichtbaren Würde umwallt sehen wie diesen jungen Affen. Einer nach dem anderen kommen die zur Erde gejagten Baumaffen vorbei und könnten ihm den dünnen Hals mit einem Griff abdrehen, denn sie sind sehr missmutig, aber sie machen einen Bogen um ihn und erweisen ihm alle Ehrerbietung und Scheu, die seiner Familie zukommt. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50
Es braucht eine längere Zeit, ehe man bemerkt, dass außer diesen ein geordnetes Leben führenden Wesen noch andere von der Insel beherbergt werden. Verdrängt von der Oberfläche und der Luft, lebt in dem Graben ein zahlreiches Volk kleiner Affen. Wenn sich einer von ihnen oben auf der Insel zeigt, wird er schon von den Baumaffen unter schmerzlichen Züchtigungen wieder in den Graben gescheucht. Wenn das Mahl angerichtet wird, müssen sie scheu beiseite sitzen, und erst wenn alle satt sind und die meisten schon auf den Ästen ruhen, ist es ihnen erlaubt, sich zu den Küchenabfällen zu stehlen. Selbst das, was ihnen zugeworfen wird, dürfen sie nicht berühren. Denn es kommt vor, dass ein böser Bursche oder ein scherzhaftes Mädchen, obgleich sie blinzelnd Verdauungsbeschwerden heucheln, nur darauf warten, und vorsichtig von ihrem Ast heruntergleiten, sobald sie merken, dass die Kleinen es sich ungebührlich wohl ergehen lassen. Schon huschen da die wenigen, die sich auf die Insel gewagt haben, schreiend in den Graben zurück und mengen sich zwischen die anderen; und das Klagen hebt an: und jetzt drängt sich alles zusammen, so dass eine kleine Fläche von Haar und Fleisch und irren, dunklen Augen sich an der abseitigen Wand emporhebt wie Wasser in einem geneigten Bottich. Der Verfolger geht aber nur den Rand entlang und schiebt die Woge von Entsetzen vor sich her. Da erheben sich die kleinen schwarzen Gesichter und werfen die Arme in die Höhe und strecken die Handflächen abwehrend vor den bösen fremden Blick, der vom Rande herabsieht. Und allmählich heftet dieser Blick sich an einem fest; der rückt vor und zurück und fünf andere mit ihm, die noch nicht unterscheiden können, welcher das Ziel dieses langen Blicks ist; aber die weiche, vom Schreck gelähmte Menge lässt sie nicht vom Platze. Dann nagelt der lange gleichgültige Blick den zufälligen einen an; und nun wird es ganz unmöglich, sich so zu beherrschen, dass man weder zuviel noch zu wenig Angst zeigt: während sich ruhig eine Seele in eine andere bohrt, bis der Hass da ist und der Sprung losschnellen kann und ein Geschöpf ohne Halt und Scham unter Peinigungen wimmert. Mit befreitem Geschrei rasen da die anderen auseinander, den Graben entlang; sie flackern lichtlos durcheinander wie die besessenen Seelen im Fegefeuer und sammeln sich freudig schnatternd an der entferntesten Stelle. 55 60 65 70 75 80 85
Wenn alles vorbei ist, steigt der Verfolger mit federnden Griffen den großen Baum hinan bis zum höchsten Ast, schreitet bis an dessen äußerstes Ende hinaus, setzt sich ruhig zurecht und verharrt ernst, aufrecht und ewig lange, ohne sich zu regen. Der Strahl seines Blickes ruht auf den Wipfeln des Pincio und der Villa Borghese, quer darüber hin; und wo er die Gärten verlässt, liegt hinter ihm die große gelbe Stadt, über der er, noch in die grüne, schimmernde Wolke der Baumwipfel gehüllt, achtlos in der Luft schwebt.
Musterklausur – Die Affeninsel von Robert Musil (1936)
1. Fassen Sie Inhalt kurz zusammen und analysieren Sie erzählerische sowie sprachliche Mittel des Textes.
2. Ordnen Sie „Die Affeninsel“ analytisch begründet einer dichterischen Textsorte zu.
3. Bestimmen Sie die vom Verfasser gemeinte Aussage und übertragen Sie sie auf eine historische Gesellschaftssituation.
In dem Text „Die Affeninsel“ von Robert Musil, welches im Stil eines Reiseberichts verfasst ist, beschreibt der Autor eine auf einer Insel lebenden, streng hierarchisch organisierte Affengesellschaft.
Diese besitzt eine Drei-Klassen-Gesellschaft mit einer monarchischen Spitze und zwei Gesellschaftsklassen.
Zu Beginn beschreibt ein auktorialer Erzähler zunächst die geographische Lage und Größe der Insel und den Affenbaum.
Die Insel ist durch einen Graben vom Königreich Italien getrennt.
Der Baum, welcher in der Villa Borghese in Rom steht, ist hoch.
Er ist tot, denn er hat weder Zweige und Rinde noch Wurzeln.
Die Königsfamilie, bestehend aus einem König, einer Königin und dem Kronprinzen, lebt am Fuße des Baumes.
Der König macht stündlich einen Rundgang über die Äste des Baumes und verjagt dabei die Baumaffen.
Der Kronprinz ist noch ganz klein, körperlich missgebildet und geistig zurückgeblieben.
Er hat keinen Kontakt zu den Grabenaffen.
Die fünfzehn Baumaffen leben in den Ästen des Baumes. Sie führen wie die Königsfamilie ein geordnetes Leben.
Sie weichen jede Stunde ehrfürchtig vor dem König zurück und werden zu einem lebensgefährlichen Absprung gezwungen.
Die Baumaffen erweisen dem Kronprinzen, der unten schutzlos allein ist, die Ehre, die ihm auf Grund seine sozialen Ranges gebührt.
Sie treiben die Grabenaffen, die sich zu einem anderen Zeitpunkt als zum Mahl der Baumaffen, auf die Insel wagen, unter Gewaltanwendung in ihren Graben zurück.
Nach ihrem eigenen Mahl, gestatten sie einzelnen Grabenaffen sich von den Resten zu ernähren.
Zur Abschreckung wird immer wieder ein zu übermütiger Grabenaffe getötet.
Nach dem Mord nimmt der Verfolger den höchstgelegenen Platz auf dem Baum mit der besten Aussicht ein.
Die zahlreichen Grabenaffen leben im Graben.
Einige von ihnen versuchen immer wieder auf die Insel zu gelangen, werden aber dort sofort von den Baumaffen gewaltsam vertrieben.
Nur beim Mahl der Baumaffen und der Königsfamilie dürfen einige von ihnen auf die Insel zusehen und sich, wenn Baumaffen und Königsfamilie satt sind, von den übrig gebliebenen Resten ernähren.
Sie sind der Machtwillkür der Baumaffen unterworfen und ertragen sie.
Dem alltäglichen Mord ihrer Artgenossen sehen sie, nur am jeweils eigenen Überleben orientiert, ohne Ansatz von Widerstand zu.
Der Text ist aus der Perspektive eines auktorialen Erzählers geschrieben, da der Erzähler zum einen als Reiseberichterstatter auftritt und zum anderen über die Zeit des Geschehens bei seiner Darbietung frei verfügt (z.B. Zeitsprung von einem Beschreibung zur anderen) und er mit zahlreichen Vergleichen das Geschehen kommentierend begleitet.
Der Erzähler versetzt sich in die Affen hinein, vermenschlicht ihre Empfindungen zu menschlichen Gefühlen bzw. fühlt so, wie er sich vorstellt, dass die Affen empfinden müssten.
Der Handlungsraum, in dem sich die Affen bewegen, ist die Insel und der Graben.
Die Elemente dieses Handlungsraumes sind der Baum, das Gebäude der Königsfamilie sowie der Graben, um die Insel herum.
Diese Räume stehen im Gegensatz zueinander und bilden somit einen Kontrastraum. Der Kontrast zwischen den einzelnen Raumelementen richtet sich nach ihren Klassen.
So ist zum Beispiel der Gegensatz zwischen dem „Palast“ (Zeile 9) der Königsfamilie und dem Graben, welcher „von der Oberfläche und der Luft“ (Zeile 9) isoliert ist, am größten.
Der Handlungsraum und seine Elemente können gleichzeitig einen Symbolraum bilden und somit eine tiefere sinnbildliche Bedeutung erhalten, falls es sich bei diesem Text um eine Parabel handelt. Dies wird in der Teilaufgabe zwei anschließend überprüft.
Die Erzählung beginnt mit dem Beschreiben des geographischen Lage und der Größe des Handlungsraumes. Dieser Anfang dient sogleich als Vorwort, das zur Geschichte hinführt.
Beim Ende kann es sich um ein geschlossenes Ende handeln.
Gestaltet wird, wie der Verfolger nach dem alltäglichen Mord an einem Grabenaffen, den höchstgelegenen Platz auf dem Baum mit der besten Aufsicht einnimmt.
Es handelt sich hierbei um für diese Gesellschaft eine typische Situation.
Die erzählte Geschichte findet darin ihr Ende.
Die Erzählzeit ist um einiges kürzer als die erzählte Zeit, da viele Einzelsituationen beschrieben werden.
Es handelt sich daher um eine (iterative) Zeitraffung. (Bei der iterativen Zeitraffung werden einzelne, sich regelmäßig wiederholende Begebenheiten und Handlungen beschrieben.)
Doch handelt es sich bei diesem Text um eine nicht-lineare Reihenfolge.
Es werden viele Geschehen mit einer deutlichen Abweichung von einem einfachen zeitlichen Nacheinander erzählt, die im Ganzen gleichzeitig den Inhalt des Textes ausmachen.
In Form einer Art von Zeitschichtung werden unterschiedliche Zeitebenen unterschieden, in denen der Erzähler sich auf Vorgänge rückbezieht wie so zum Beispiel der stündliche Rundgang des Königs (vgl. Zeile 9ff); das Zurückweichen der Baumaffen (vgl. Zeile 11ff); die Gewaltanwendung der Baumaffen an den Grabenaffen beim Versuch sich auf die Insel wagen (vgl. Zeile 9ff); der alltägliche Mord der Baumaffen an den Grabenaffen (vgl. Zeile 12ff).
Vergleiche:
„Er ist so kahl wie ein Schädel“ (Z.1f);
„gelb wie ein Skelett“ (Z.2);
„wie ein Mast in den Zement einer ovalen Insel verpflanzt“ (Z.3f);
„wie Touristen so etwas ausdrüken“ (Z.8);
„die ungefähr die Größe eines vierjährigen Kindes haben“ (Z.15);
„einem Palast von Form und Größe einer Hundehütte“ (Z.17f)
Personifikationen:
„man Schuhe und Strümpfe auszöge ..“ (Z. 9ff);
„Burschen und Mädchen“ (Z.15);
„lebt in dem einzigen Gebäude der Insel“ (Z.16);
„ein Ehepaar“ (Z. 17);
„das Königspaar der Insel und der Kronprinz“ (Z.18);
„Ehrerbietung“ (Z.35);
„geordnetes Leben“ (Z.36);
„Küchenabfällen“ (Z.42);
Farben:
„gelb wie ein Skelett“ (Z.2);
„grünen Straußfedern“ (Z.13);
„korallenrot die Sonne“ (Z.31);
„grüne, schimmernde Wolke“ (Z.68);
Bewertungen des Erzählers (zusätzliche Hinweise auf auktorialen Erzählcharakter):
„Diese wundervolle Insel“ (Z. 13);
„Dummes und Klägliches“ (Z. 31);
„böser Bursche“ (Z.43);
„böser Bursche“ (Z.43)
Pleonasmus:
„unsichtbaren Würde“ (Z.32)
Definition:
Eine Fabel ist eine in Vers oder Prosa verfasste Erzählung mit belehrender Absicht, in der Tiere, Pflanzen oder fabelhafte Mischwesen menschliche Eigenschaften besitzen (in Folge dessen gibt es eine Anhäufung von Personifikationen).
Die Dramatik der Fabelhandlung zielt auf eine belehrende Schlusspointe, eine Moral, hin.
Fabeln beinhalten häufig Tierdialoge
(+) Die Affen haben menschliche Eigenschaften.
− Es ist keine Schlusspointe zu erkennen. Es ist kein Lehrsatz vorhanden.
− Keine Dialoge
Es handelt sich bei „Affeninsel“ daher nicht um eine Fabel. Dennoch enthält sie ein wesentliches Element der Fabel, da die menschliche Ständegesellschaft durch die Tiere auf der Affeninsel repräsentiert wird.
Definition:
Eine Kurzgeschichte hat viele Merkmale, so wie zum Beispiel den unmittelbaren Beginn und den offenen Schluss. Die Absicht dabei ist, dass sich der Leser sich Gedanken machen soll, welche Folgen das Geschehen für den Beteiligten haben kann. Kurzgeschichten besitzen zudem einen Höhepunkt, der zumeist mit dem Ende zusammenfällt. Die Handlung ist meist alltäglich, gleiches gilt für die Charaktere. Die erzählte Zeit ist in der Regel sehr kurz (nur ein paar Stunden oder Minuten), ebenso wie die Erzählzeit. Erzählte Zeit und Erzählzeit sind häufig sogar identisch.
− Bei dieser Erzählung gibt es keinen unmittelbaren Beginn. Der Anfang beinhaltet eine kurze Einleitung, in der die Insel beschrieben wird.
− Auch das Ende ist nicht offen, da keine durchgehende Handlung zu erkennen ist. Der Text ist aus Berichtteilen, ähnlich eines Reiseberichtes, zusammengesetzt.
− Der Schluss hat keinen Höhepunkt. Am Ende dieses Textes geht es für die Affen um eine alltägliche Situation, die den Leser nicht nach der Folge des Situation fragen lässt.
(+) Die Handlung in die „Affeninsel“ stellt in der Regel Alltagssituationen auf der Insel dar. Gleichermaßen sind aber die Charaktere auf der Insel, die Affen, nur stellvertretend für durchschnittliche Menschen.
− Hier sind die Protagonisten Affen.
(+) Die erzählte Zeit ist ein relativ kurzer Zeitraum.
(+) Da die Geschichte in einem Zug lesbar sein soll, ist die Erzählzeit ebenfalls kurz.
In „Affeninsel“ lassen sich zwar typische Elemente einer Kurzgeschichte wiedererkennen, wie die Kürze von Erzählzeit und erzählte Zeit, so wie die Alltäglichkeit der Handlung und den Charakteren, es fehlen jedoch weitere wesentliche Merkmale, um diesen Text als Kurzgeschichte bezeichnen zu können.
Definition:
Die Parabel ist ein zu einer Erzählung ausgeweiteter Vergleich.
Parabeln und Gleichnisse sind nahezu identisch. Gleichnisse treten sehr häufig in der Bibel auf.
Meist kurzer Text
Das was in einer Parabel vordergründig beschrieben wird, wird als „Bildebene“ bezeichnet. Da es sich bei einer Parabel um einen Vergleich handelt, hat diese Bildebene eine tiefere Bedeutung, der sogenannten „Sachebene“. Die Bildebene dient nur zur Veranschaulichung, eines etwas komplexeren Zusammenhangs, weshalb die Parabel bzw. das Gleichnis von Jesus häufig verwendet wurde, um der nicht-alphabetisierten und ungebildeteren Bevölkerung der damaligen Zeit schwierige Zusammenhänge zu erklären.
(+) Der vorliegende Text beinhaltet vor allem zu Beginn sehr viele Vergleiche. Auffällig sind dabei die Vergleiche, die den Menschen eigen sind.
(+) In dieser Erzählung kann man viele auf der Bildebene dargestellten Vorgänge auf die Sachebene übertragen.
Ich komme zu dem Schluss, dass die Erzählung die „Affeninsel“ nur zum Teil eine Kurzgeschichte ist. Die Parabel ist jedoch eine Mischform der Kurzgeschichte. Beide haben häufig die gleiche Absicht, doch benutzen sie dazu andere Mittel. Während bei einer Kurzgeschichte Menschen in alltäglichen Situationen geschildert werden, müssen bei Parabeln die dargestellten Vorgänge von einer Bildebene auf eine Sachebene übertragbar sein. Dieser Transfer ist in diesem Fall aufgrund der Analyse der sprachlichen Mittel möglich. Somit komme ich zu dem Ergebnis, dass es sich bei diesem Text um eine Parabel handelt.
Die Gesellschaft der Affen in Robert Musils Erzählung »Die Affeninsel« ist streng hierarchisch organisiert.
Zwar thront das Königspaar nicht in den Wipfeln des abgestorbenen Baumes über dem Rest der Affen, doch gehen von ihm die entscheidenden Impulse aus, die den Kreislauf von Gewalt unter den Affen in Gang bringt.
Die quantitative Verteilung der Affen auf die jeweiligen Klassen entspricht einer sich nach oben zuspitzenden Pyramide: Oben stehen wenige machtvolle und reiche Regierende, in der Mitte das Bürgertum und unten die Masse des verarmten und unterdrückten Proletariats.
Der Mensch wird in dieser Erzählung durch den Affen repräsentiert. Da der Mensch vom Affen abstammt, lässt sich vermuten, dass Robert Musil den Menschen bewusst mit dem primitiveren Vorfahren vergleicht. Musil will damit verdeutlichen, wie rückständig und reaktionär der Mensch geblieben ist.
Im Hintergrund dessen, dass die oben durchgeführte Untersuchung ergeben hat, dass es sich hierbei um eine Parabel handelt, kann man die Affen stellvertretend für die menschliche Gesellschaft deuten. Die menschliche Gesellschaft wird auf ein kleines Schemata reduziert.
Diese Vermutung wird durch die durchgeführte Analyse der sprachlichen Mittel deutlich, in denen viele Vergleiche mit Personifikationen verwendet werden.
Die Königsfamilie zeigt Machtdemonstration gegenüber den ihr untergeordneten Baumaffen. Dies kann man an dem Rundgang des Herrschers erkennen.
Die Baumaffen wiederum misshandeln willkürlich die Grabenaffen. Die Grabenaffen letztendlich sind machtlos und ihnen fehlt die Solidarität untereinander.
Der Kronprinz wird als dumm, missgebildet und tyrannisch beschrieben. Der Kronprinz hat seinen hohen Rang nicht erkämpft oder sich darum verdient gemacht. Die Baumaffen erweisen dem Kronprinz die Ehre, da es sich standesgemäß so gehört, sie akzeptieren ihn aber nicht. Sie sind missmutig gegenüber dem König eingestellt und könnten ihn mühelos töten.
Der Baum, in denen die Baumaffen und die Königsfamilie leben, stellt das Fundament dieser Affengesellschaft dar. Der Baum ist jedoch abgestorben. Der Zusammenfall des Fundamentes ist also vorhersehbar. Der Baum konnte die Baumaffen und die Königsfamilie bislang vor dem Kontakt mit den kleineren Grabenaffen schützen. Welche Folgen würden sich damit für die Baumaffen und der Königsfamilie ergeben, wenn sie schutzlos der Masse von Grabenaffen zum Opfer fallen würden?
Parallel zu dieser Geschichte kann man George Orwells „Farm der Tiere“ betrachten. George Orwell beschreibt in diesem Buch einen Bauernhof und die Tiere stellen das Proletariat dar, während sie von dem Bauern (der Bourgeoisie) ausgenutzt werden. Irgendwann fangen die Tiere an zu revoltieren und die Schweine können an die Stelle des Bauern treten. Die anderen Tiere merken dann allerdings, dass sie von den Schweinen genauso ausgenutzt werden, wie von dem Bauern. Das Werk ist eine Kritik über den Kommunismus. Die Revolution des Proletariats endete in Russland schließlich in erneuter Unterdrückung, als Stalin an die Macht kam. Es geht bei George Orwell eben auch darum, dass eine (Stände-)Gesellschaft auf eine Art kleines Schema, nämlich die der Tierfarm, übertragen wird. Bei Orwell wird der Kommunismus kritisiert, bei Mulin hingegen der Absolutismus. Es ließe sich vermutlich aber auch gut auf die Diktatur übertragen.
These: Die Erzählung „Affeninsel“ ist eine Kritik am Faschismus.
Pro:
Das Werk von Robert Musil entstand 1936, es passt in den historischer Kontext des Faschismus, der von 1922 bis 1943 in Italien unter der Führung von Benito Mussolini an der Macht war.
Die in diesem Text genannten geografischen Bezüge (Italien, Villa Borghese). Die Villa Borghese war noch vor dem Faschismus ein Sommerpalast des Borghesischen Fürstengeschlechtes und Aufbewahrungsort von antiken Schätzen. Die Schätze wanderten in die Hände Napoleons I. und wurden nur teilweise wieder zurückgegeben. Die Villa Borghese ist eines der opulentesten Gebäude in Rom und relativ zentral gelegen. Heute ist die Villa Borghese eine der größten Stadtgärten und für alle zugänglich.
Randnotiz: Die Werke von Robert Musil wurden von den Nationalsozialisten verboten.
Randnotiz: Robert Musil war im ersten Weltkrieg an der italienisch-serbischen Front stationiert und emigrierte später mit seiner Frau über Italien nach Zürich.
Parallen der Erzählung zum Faschismus:
Der Faschismus führte dazu, dass das ohnehin schon gebeutelte Kleinbürgertum weiter verarmte. Der Faschismus verlor dadurch die breite Basis in der Mittelschicht.
Parallele: Der Kronprinz „tyrannisiert“ die Baumaffen, indem er sie immer verjagt und zu gefährlichen Absprüngen zwingt. Die Baumaffen hingegen respektieren den Kronprinzen nicht, sie unterstützen ihn nicht und würden ihn am liebsten töten. Das gesellschaftliche Fundament des Faschismus ist ähnlich krank und marode wie der langfristige Zerfall des toten Baumes auf der Affeninsel vorhersehbar ist. Der Faschismus ist ähnlich „missgebildet“ wie der Kronprinz. Gleichzeitig lässt sich hier ein Widerspruch zu der These aufstellen, dass es sich hier um den Nationalsozialismus handeln könnte. Hitler kam ganz legitim an die Macht, er wurde gewählt und hatte die breite Unterstützung, auch bis zum Ende des Krieges.
Das Kleinbürgertum und Großindustrielle unterstützen Mussolini vor seiner Machtergreifung (auch finanziell), da sie Angst vor einer sich formierenden Arbeitbewegung hatten. Die Arbeiterbewegung wurde von den Faschisten mit Hilfe des Unterstützung erfolgreich zerstreut.
Parallele: Baumaffen kämpfen auch in „Die Affeninsel“ gegen die Grabenaffen.
Es konnte sich keine Arbeiterbewegung mehr formieren.
Parallele: Grabenaffen sind unsolidarisch, nicht organisiert, von den höheren Schichten eingeschüchtert.
Der Faschismus war unfähig und ist nicht durch seine Überlegenheit an die Macht gekommen.
Parallele: Der König in die „Affeninsel“ ist dumm und missgebildet. Seine Herrschaft ist von pragmatischen Gesichtspunkten aus betrachtet eigentlich unberechtigt und illegitim.
Contra:
Benito Mussolini war fast 40, als er an die Macht kam. Er ist kein Sohn einer adeligen Familie. Hingegen ist der Kronprinz in „Die Affeninsel“ noch sehr jung und wird den Thron von seinem Vater „ererben“.
Quellen:
http://tinyurl.com/6bnzv [2]
http://www.sozialistische-klassiker.org/diverse/Div29.html [3]