Physiologische Grundlagen der Ausdauer: ein zusammenfassender Überblick

In dem nun folgenden Text werde ich die Auswirkungen von Ausdauertraining auf den menschlichen Körper beleuchten. Regelmäßiges Ausdauertraining wirkt sich entscheidend auf fünf Organe aus. Zu diesen Organen zählen das Herz, die Lunge, die Adern, die Muskeln und die Leber.

Für jedes Ausdauertraining, in dem mehr als ein Siebtel der Muskelmasse dynamisch beansprucht werden stellt die Sauerstoff-Transportfähigkeit des Herz-Kreislauf Systems eine entscheidende Größe dar. Sie bestimmt wie viel Sauerstoff zu den Muskeln gelangen kann und dort mit Hilfe von Nährstoffen in Energie umgewandelt wird. Je mehr Blut um die Muskeln zirkuliert, desto mehr Sauerstoff und Nährstoffe können von diesen aufgenommen werden. Der Herzmuskel, der Myokard, kann sich, wie jeder andere Muskel auch, an erhöhte Belastungen anpassen und dadurch größer, also stärker, werden. Das Volumen des Herzens steigt proportional zu der Vergrößerung des Herzmuskels, so dass man in der Fachwelt von einem „harmonischen Wachstum“ spricht. Durch die Vergrößerung des Volumens und des Muskels kann das Herz mehr Blut pro Kontraktion in die Arterien auswerfen. Das bewirkt, dass für die gleiche Belastung das Herz insgesamt weniger schlagen muss, da es mehr Blut fördern kann. Diese geringere Schlagzahl ist um einiges ökonomischer als die höhere Schlagzahl bei geringerem Volumen.

Das über Venen von den Muskeln und Organen am Herzen ankommende, sauerstoffarme und kohlendioxidreiche, Blut wird über die rechte Herzkammer in die Lunge befördert, wo es das CO² abgeben und O² aufnimmt. Von der Lunge wird dann das sauerstoffreiche Blut über die linke Herzkammer in die Arterien befördert. Der Gasaustausch geschieht in der Lunge über Diffusion. Das Blut wird in Kapillaren geleitet, welche an die sehr kleinen Lungenbläschen anliegen. Aufgrund der sehr dünnen Kapillarmembran und der sehr hohen Gasaustauschfläche zwischen den Lungenbläschen und den Kapillaren kann sich das venöse Blut innerhalb von 0,3 Sekunden annähernd voll mit Sauerstoff beladen und das Kohlendioxid abladen. Da Sauerstoff nur sehr schlecht wasserlöslich ist, wird er im Blut größtenteils mit Hilfe von Hämoglobin, dem roten Farbstoff der roten Blutkörperchen, transportiert. Das Atemvolumen an sich kann aufgrund des nahezu perfekten Gasaustausches in der Lunge, der nicht als begrenzende Größe bei Belastungen gilt, kaum verbessert werden. Der wichtigste Atemmuskel ist das Zwerchfell, durch welches der Brustkorb bewegt wird. Die Atmung funktioniert wie ein Blasebalg. Wenn der Brustraum erweitert wird, dehnen sich die Lungen, die selber über keine eigene Muskulatur verfügen, ebenfalls aus. Dadurch entsteht ein Unterdruck in den Lungen und Luft wird eingesogen. Nach dem gleichen Prinzip geschieht auch die Ausatmung. Mit der Außenluft wird gleichzeitig auch die Luft, die sich noch in der Luftröhre oder den Bronchien befindet eingeatmet. Dieser Bereich wird als Totraum bezeichnet. Würde ein Sportler nur sehr flach atmen, würde er sich keine frische Außenluft zuführen und nur diese Totraumluft in der Lunge bewegen, was zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff führen würde. Deswegen sollte ein Sportler bei hoher Belastung tief atmen um den Totraumanteil an der neu zugeführten Luft möglichst gering zu halten.

Vom Herzen aus wird das Blut über die Aorta, die Hauptschlagader, in den Körper befördert. Die Aorta verzweigt sich in immer kleinere Blutgefäße, bis zu den Kapillaren. Von den Kapillaren fließt das Blut in Venen, die es dann zurück zum Herzen befördern. Kapillaren sind die kleinsten Adern des menschlichen Körpers. Sie sind für die Versorgung der Organe und der Muskel mit Blut verantwortlich. Kapillaren besitzen eine sehr dünne Membran, so dass Nährstoffe und Gase durch sie in die benachbarten Zellen diffundieren können. Bei Ausdauertraining vermehren und vergrößern sich diese Kapillaren. Dies hat zur Folge, dass mehr Blut die Muskel- und Organzellen umströmt, also mehr Nährstoffe diffundieren können, da durch die Vergrößerung des Kapillardurchmessers die Fließgeschwindigkeit ab- und die Kapillaroberfläche zunimmt. Beide Faktoren sorgen dafür, dass mehr Nährstoffe und Gase vom Blut in die Zellen diffundieren können. Wie viel des in den arteriellen Kapillaren transportierten Sauerstoffs in die Muskeln gelangt ist lässt sich anhand der arterio-venösen-O²-Differenz bestimmen. Je größer diese Differenz ist, desto mehr Sauerstoff kann an die Muskeln abgegeben werden. Um die Blutmenge, die in die Kapillaren strömt zu vergrößern, wird das Blut bei hohen Belastungen vom Körper umverteilt. Vor allem die Durchblutung des Magen-Darm-Traktes wird dabei zurückgeschraubt. Es ist sinnvoll vor hohen Belastungen nicht übermäßig zu essen, da der Magen aufgrund der niedrigen Durchblutung damit nicht fertig werden könnte und der Sportler sich erbrechen kann. Außer der Blutumverteilung unter den Organen kann der Körper das Blut unter den Kapillaren über sogenannte Kurzschlussverbindungen umverteilen. In Ruhe, wenn der Muskel keine hohe Belastung erfährt, werden die Kapillaren, durch die das Blut normal fließen würde verengt, so dass das Blut den Weg durch diese Kurzschlussverbindungen nimmt. Durch diese „Abkürzungen“ sinkt der Fließwiderstand des Blutes und das Herz wird weniger belastet.

Die Wirkung des Ausdauertrainings auf die Muskulatur besteht darin, dass der Muskel bei dynamischer Belastung später ermüdet, was größtenteils an der bereits angesprochenen verbesserten Kapilarisierung liegt. Die Kapilarisierung bewirkt, dass die Mitochondrien, die „Kraftwerke“, in den Zellen mehr Sauerstoff und Nährstoffe erhalten. In ihnen wird über die Abspaltung einer Phosphatgruppe vom ATP (Adenosintriphosphat) zu ADP (Adenosindiphosphat) Energie gewonnen, welche in dem Muskel zur Kontraktion genutzt wird. Alle Energievorräte des Körpers, egal ob Kreatinphosphat, Glykogen oder Fettsäuren, werden über Enzyme zu ATP synthetisiert und dann verarbeitet. Da die ATP Reserven in den Muskeln allerdings nur für eine Belastung von wenigen Sekunden ausreichen und die Aktivierung der Glykogen- bzw. Fettsäurenvorräte nur sehr langsam anläuft, muss die Zeit dazwischen mit anderen Energiereserven überbrückt werden. Unmittelbar nach der ATP Synthese wird mit Hilfe von Kreatinphosphat der Energiebedarf gedeckt. Beide Vorgänge laufen alaktazid, also ohne die Bildung von Milchsäure, ab. Nach der Kreatinphosphat-Synthese wird durch die Zerlegung von Fettsäuren und Glykogen Glukose gewonnen. Glukose kann in zwei grundsätzlich verschiedenen Wegen in den Muskeln verarbeitet werden. Der erste Weg ist der weitaus schnellere, anaerobe Weg in dem Glukose zu Milchsäure synthetisiert wird. Die dabei entstandene Milchsäure ist nur schwer aus den Zellen ab zu transportieren und behindert die weiteren Zellvorgänge, so dass der Sportler ab eine Konzentration von ca. 16 mmol/l Laktat die Belastung abbrechen muss. Der zweite Weg ist der aerobe Weg, in dem die Glukose vollständig zu Wasser und Kohlendioxid abgebaut wird, ohne dass der Laktatspiegel entscheidend steigt. Diese Energiegewinnung ist zwar 13 mal effektiver als die anaerobe Variante, läuft aber langsamer ab. Wenn in kurzen Zeiträumen große Energiemengen benötigt werden, überwiegt der anaerobe Weg, bei Ausdauerbelastungen der aerobe. Die einzelnen Prozesse laufen immer mit der gleichen Geschwindigkeit ab, sie sind nicht trainierbar. Durch die Belastung hervorgerufen und durch die verbesserte Kapilarisierung begünstigt, nehmen die Mitochondrien an Zahl und Größe zu, was den Muskel größer und stärker macht.
Der wichtigste Aspekt der Leber im Bezug zum Ausdauertraining ist ihre Eigenschaft als Glykogenspeicher. Überschüssige Glukose wird in der Leber in Form von Glykogen gespeichert und bei Bedarf auch wieder abgegeben. Durch Ausdauertraining kann diese Speicherfähigkeit gesteigert werden.