Kurz-Interpretation: Nikolaus Lenau – Der trübe Wandrer (Biedermeier, von Franziska Sellmann)

Nikolaus Lenau [1] 1802-1850

1 Am Strand des Lebens irr ich, starre düster
2 Ins Todesmeer, umhüllt von Nebelflor;
3 Und immer wird der Strand des Lebens wüster,
4 Und höher schlägt die Flut an ihm empor.
5 O strömt, ihr Tränen, strömt! – Im Weiterirren
6 Seh ich die längstverlornen Minnestunden,
7 Ein neckend Schattenvolk, vorüberschwirren,
8 Und neuer Schmerz durchglüht die alten Wunden.
9 Die Asche meiner Hoffnungen, die Kränze
10 Geliebter Toten flattern mir vorüber,
11 Gerissen in des Sturmes wilde Tänze,
12 Und immer wirds in meiner Seele trüber. –
13 Das Christuskreuz, vor dem in schönen Tagen
14 Ein Kind ich, selig betend, oft gekniet,
15 Es hängt hinab vom Strande nun, zerschlagen,
16 Darüber hin die Todeswelle zieht. –
17 Seltsame Stimmen mein’ ich nun zu hören:
18 Bald kommts, ein wirres Plaudern, meinem Lauschen
19 Meerüber her, bald tönts in leisen Chören,
20 Dann wieder schweigts, und nur die Wellen rauschen. –
21 Ein ernster Freund, mein einziges Geleite,
22 Weist stumm hinunter in die dunkle Flut;
23 Stets enger drängt er sich an meine Seite:
24 Umarme mich, du stiller Todesmut!


Analyse und Interpretation:

Lenau schreibt von seinem Todesmut. Er möchte sich im Meer das Leben nehmen. Sterben will er auf Grund vergangener Ereignisse die in ihm zu Wunden geworden sind. Es scheint sich um Liebeskummer zu handeln. Er spricht vom Tod.Den Glauben hat er verloren. Der Gedanke sich umzubringen dringt in ihm immer näher.
Das Thema dieses melancholischen Gedichtes handelt von Selbstmord und Tod. In den einzelnen Strophen werden der Schmerz und die Einsamkeit angesprochen was auch schon in ansatzweise in der Überschrift wieder zufinden ist.

Nun zur Form des Gedichtes: Es besteht aus 24 Strophen und wird durch das gleichmäßige Reimschema (abab, cdcd, efef, ghgh, ijij, klkl) in sechs Teile unterteilt.

Das Gedicht ist geprägt von Symbolen welche zusammengefasst den Tod, das Elend und den verlorenen Glauben an sich, die Religion und die Welt symbolisieren. Die Metapher „Strand des Lebens“ bedeutet der Strand vom Festland ist das „Ende“, danach kommt nur noch Wasser. Er beschreibt seine Lebenslage in der er sich befindet, bevor er sich in die Wellen stürzen möchte, denn auch sein Leben ist für ihn am „Ende“ durch all seinen Schmerz. Nach dieser Metapher folgt eine Alliteration „irr ich“ diese macht die Verwirrtheit des Erzählers deutlich und hebt sie durch die Alliteration hervor. Die Wortwiederholung in Zeile 5 „O strömt, ihr Tränen, strömt!“ deutet einerseits auf das strömende Meer, andererseits auf die Tränen der Verzweiflung hin. Auffällig sind noch die gleichrangigen Wörter ( Asyndeton) Asche, Kränze, Tod, welche alle auf eine Beerdigung hinweisen. Zuletzt in Zeile 24 eine Personifikation „Umarme mich, du stiller Todesmut!“ mit diesen Worten beschreibt er letztendlich den Willen zu sterben.

Es lässt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Gedicht und dem Leben Lenau feststellen, welcher einen geistigen Zusammenbruch erlitt, mehrere Verlobungen abbrach und fast 6 Jahre bis zu seinem Tod in einer Irrenanstalt dahindämmerte.



Weblinks:
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_Lenau