Friedrich Dürrenmatt – Der Richter und sein Henker (fiktiver Abschiedsbrief, von Melanie Ames)

Klassenarbeit zum Thema: „Der Richter und sein Henker“ von Friedrich Dürrenmatt (10. Klasse)


Aufgabenstellung

Schreibe einen Abschiedsbrief.

Ehe Tschanz beschließt sich das Leben zu nehmen, setzt er sich hin und schreibt einen Abschiedsbrief an Bärlach, in dem er aus seiner Sicht die Gründe für sein Handeln darlegt und den letzten Schritt aus seiner – ihm ausweglos erscheinen – Situation zu erklären versucht.


Klausur-Lösung

Sehr geehrter Herr Bärlach!

Ich kann verstehen, wenn Sie mit meinem Fall abgeschlossen haben, dass teilten Sie mir ja deutlich genug mit!
Ich kann es Ihnen auch nicht übel nehmen, wenn Sie jetzt nicht weiter lesen, trotzdem bitte ich Sie es zu tun. Ich musste lange überlegen, ob ich Ihnen schreiben soll, hätte es nicht Vieles einfacher gemacht, Ihnen mein Handeln persönlich zu schildern? Ich glaube jedoch, der richtige Zeitpunkt ist schon lange vorbei!
Und wie sagt man so schön? „Papier ist geduldig!“

Die Absicht Schmied zu töten, war jener Schritt, mit dem ich mir erhofft habe, einmal nicht „der Ochse zu sein, der sich in seinem Ungestüm einen Weg bahnt!“
Schmied hatte immer alles bekommen, was er wollte, wuchs in einer wohlhabenden Familie aus, konnte ein Gymnasium besuchen, sprach Griechisch und Latein. Er war sozusagen „Oben angekommen!“ Denn er war ja Ihrer Meinung nach „der beste Kriminalist“.
Ich habe immer in seinem Schatten gestanden und Sie wissen, dass ich Recht habe!
In meinem Leben passierte ja nicht mehr als auf eine Postkarte passt!
Dass Sie Schmied den Auftrag gaben Gastmann zu überführen, war nur noch die letzte Tatsache die zu meinem verletzten Stolz beitrug. Immer wieder gab es Situationen, in denen ich das Gefühl hatte verloren zu haben. Schmied hatte gewonnen, wie immer!
Manchmal hilft auch nur eine gute Flasche Wein, doch in diesem Fall nicht!
Nur ein Mal, nur ein einziges Mal wollte ich gewinnen. Die Mordsache Schmied wurde für mich zu einem Spiel, in dem ich die Spielregeln selbst bestimmte, Ihnen allen überlegen sein sollte. Meine Trophäe war indirekt das Leben, was Schmied gelebt hatte. Anna, seine Freundin, seine Position, sein Wagen und eben alles was dazu gehörte!
Eigentlich hat ja auch alles so funktioniert, wie ich es mir zu Recht gelegt hatte. Ich war allen über. Komisch, Ihnen war ich nicht voraus. Sie wussten von Anfang an, dass ich Schmieds Mörder bin. So leichtfertig konnte ich die Angelegenheit nicht hinnehmen, ich konnte nur argumentieren.
Ich musste genau überlegen wie ich vorgehe. Da kam mir die Sache mir Gastmann gerade Recht. Ich suchte mir ihn als potenziellen Mörder aus. Ich wusste, dass er genug auf dem Kerbholz hatte, um als verdächtige Person in Frage zu kommen! Ich legte mir ein Alibi zurecht, das besagte, dass ich zum Tatzeitpunkt Ferien im Berner Oberland machte.
Es mag absurd klingen, dass Schmied seinen blauen Mercedes „Blauen Charon“ nannte, der nach der griechischen Sage die Toten in die Unterwelt fuhr. Ein Symbolcharakter, Schmied sollte zur Hölle fahren! Nicht mal an seiner Beerdigung schien die Sonne!
Ich kannte die Strecke in und auswendig, die Schmied zu Gastmann fuhr. Ich durfte mir nichts anmerken lassen, als ich mit Ihnen diesen Weg gefahren bin und habe nach dem Weg gefragt. Sie müssen zugeben, diese Taktik war perfekt!
Die Angelegenheit, dass ich Ihnen das Leben rette, als der Hund sie anfiel, erklärte sich so: das ich Sie noch brauchte, wenn ich auch nicht genau weiß warum und wofür. Außerdem wollte ich es mir auch nicht allzu leicht machen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich mir mit dieser Handlung ein Eigentor schoss. Sie sind todkrank und wären mir im Grunde genommen ohnehin nicht mehr lange im Wege gewesen.
Immer wieder kam es zu Situationen, in denen Sie mir verdeutlichten, dass Sie von meinen Machenschaften wussten. So auch jene am Tatort, als Sie den Tatvorgang nachspielten. Mein Respekt! Diese Konfrontation brachte sogar mich ins schwitzen. Doch ich durfte mich nicht verunsichern lassen, ich musste mich vergewissern, dass Gastmann der Hauptverdächtige war. Ich konnte nur argumentieren, denn ich wusste alles über diesen Mann.
Meine Pläne gingen auf, zu diesem Zeitpunkt musste ich eingestehe, Dr. Lutz hatte Recht, das die Kriminalistik in diesem Lande noch in den Kinderschuhen steckt und nicht viel von uns besser sind, als diejenigen mit denen sie Gefängnisse aller Art bevölkern. Ich muss zugeben mit dieser Aussage traf er auf den Punkt.
Doch bald änderte sich mein Standpunkt, dass wir den Schriftsteller verhörten und nicht Gastmann warf mich aus den Fugen.
Seine abweisende Haltung mir gegenüber zeigte, dass auch er mich durchschaut hatte. Immer wieder versuchte ich ihn in eine andere Richtung zu lenken, was mir mit meinen Aussagen schließlich auch gelang!
Schon komisch, der Schriftsteller spiegelte ohne es zu wissen, mein Inneres wider. Er sprach von etwas Bösem, ob gut oder schlecht.
Ich setzte mir zum Ziel, auch sie davon zu überzeugen, dass Gastmann der Mörder sei, doch es gelang mir nicht.
Ich gestehen ein, Sie waren und sind mir immer über!
Ich musste Sie nun loswerden. Und ich hatte auch schon einen Plan. Durch meinen Besuch bei Ihnen wusste ich, dass Sie alle Türen Ihres Hauses geöffnet hielten. Das Schlangenmesser und die Tatsache, dass Sie mir erzählten, dass diese Schlange sie fast umgebracht hätte inspirierten mich.
Doch nachdem ich die Schüsse hörte, als ich in ihr Haus eindrang, stieg Angst in mir hoch, ich hatte einfach nicht den Mut mein Vorhaben auszuüben!
Ich konnte es verfluchen!
Die Zeit war gekommen, in der ich auf den Augenblick wartete, an dem Sie mich überführten. Sie hatten gewonnen, Sie setzten mich als Waffe gegen Gastmann ein und Hatten mich ausgespielt. Die anderen hatten gewonnen, wie immer!
Dabei war ich so weit gekommen. Selbst Anna war schon auf meiner Seite, sie ist eine wunderbare Frau, die Situation, dass sie Schmieds Verlobte war, war schon schlimm genug!
Als ich abends zu Ihnen kam, hatte ich mich damit abgefunden, dass mein Plan nicht aufgegangen war.
Doch Ihre Art war beängstigend, Sie öffneten mir die Augen und konnten meine Situation erläutern!
Vielleicht war ich zu anspruchsvoll, aber ist das ein Fehler?! Nein, ich konnte noch nie gut lügen. Denn solch Dinge, wie ein Mord kommen irgendwann doch ans Licht, natürlich dann, wenn man es am wenigstens braucht. Denn ich war so gut wie am Ziel und sollte sogar befördert werden. Doch Sie, Bärlach haben mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Man kann sich seine Kollegen eben nicht aussuchen! Nun warte ich bis sie meine Asche in die Aare streuen, es ist zwar nur eine Redensart, aber der Gedanke ist doch ganz nett nicht war?
Leben Sie wohl Bärlach!

Tschanz


Zusätzliche Informationen

Autor: Melanie Ames
Klasse: 10 (Realschule)
Note: 14 Punkte (1)